Neues und auch Altes aus meinem Leben als Nives
Montag, 8. Juli 2019
¶ wunder
Ich lasse meine Hände auf die Tasten des Klavieres fallen, die Akkorde schließen sich den ersten Tönen der E-Gitarre an - eine sanfte Stimme ergänzt die einsame Melodie mit den Worten: "Der eine, der die Blinden heilt, er ist jetzt hier direkt vor mir, er ist jetzt hier direkt vor mir". Während ich mich eher auf die richtigen Tasten und die Melodie konzentriere, fällt mein Blick kurz auf den weiteren Text: "Der eine, der die Tauben heilt, er stillt nun jede Angst in mir, stillt nun jede Angst in mir". Die Angst- welche Ängste machen mich eigentlich so unruhig? Dann sind wir schon beim Refrain- hier beginne ich mit der zweiten Stimme mitzusingen: "ja ich glaub' an dich, ja ich glaub' an dich, unsern Gott der Wunder tut" und diese Worte scheinen mich irgendwo tief zu treffen- vielleicht nicht beim ersten gesungenen Mal, aber beim zweiten, dritten, vierten Mal. Ich erkenne die Angst, die Gott stillen soll: Dass er keine Wunder dort vollbringen wird, wo ich es mir so sehr wünsche. Wir wiederholen den Text sehr oft. Vielleicht, weil wir es uns einprägen wollen, vielleicht, weil wir es beim vierten Mal erst tatsächlich Gott sagen können, für den wir ja eigentlich singen. "Ja ich glaub' an dich,, unsern Gott der Wunder tut" - Und die Angst sagt mir, dass ich vielleicht gar nicht an diese Wunder glaube oder, dass diese heute, hier und jetzt, dass sie nie geschehen können. Eine weitere Stimme der Band- es ist eine kräftige, tiefere Stimme, setzt ein "Ja, ich glaub an dich". Mein Blick schweift vom Text ab und für einen kurzen Moment durch die Menge all jener Menschen in den Kirchenbänken. Manche von ihnen singen mit, andere stehen nur da, wippen vielleicht ein wenig im Rhythmus der Musik mit dem Text in der Hand, den sie sich einprägen wollen- fast so, als würde ihr tiefstes Inneres ihn singen. "Der eine, dem es möglich ist, er schaut mich an, er macht mich heil, schaut mich an er macht mich heil", und ich erinnere mich an Stellen in der Bibel, wo Jesus tatsächlich nur durch seine Blicke und Worte Menschen heilt. Aber, und mein Herz rebelliert- es fühlt sich bei dieser Zeile so schwer an, wieso heilt er denn nicht, wenn ich ihn darum bitte? Wieso lässt er denn kein Wunder geschehen, wenn ich ihn bitte eine geliebte Person zu heilen? Wieso passiert nichts? Wo ist das Wunder? "Ja ich glaub' an dich" singen wir alle weiter, und mein Herz pocht wilder "...der Wunder tut".
Ich singe es mir noch lauter vor als vorher, ich sage es den Leuten, ich sage es Gott, ich sage es ihm noch eindringlicher. Immer wieder: ja ich glaub', dass er Wunder tut, dass du Wunder tust Gott- aber manchmal, in kurzen Momenten, scheint mein Glaube einzuknicken und der Zweifel schleicht sich an mich heran. "Dein Glaube hat dir geholfen" hat doch Jesus immer nach einer Heilung gesagt- rufe ich mir in Erinnerung. Aber mein Glaube scheint mir nicht zu helfen, wenn ich ihn endlich wieder zu fassen versuche. Die einzelnen Mitglieder der Band- sie werden lauter, ihre Instrumente erklingen so sicher und freudig wie die Worte und Melodien in ihrem Herzen und ich lächle in den Moment hinein. Dieser Moment, gezeichnet von tiefster Menschlichkeit in dem sich Freude, Wut, Glaube und Zweifel abwechseln und gegeneinander kämpfen. Jesus war Mensch- erkenne ich wieder, er hat doch auch geglaubt, hat auch auf ein Wunder gehofft, aber durch seinen Glauben daran, dass der Wille seines Vaters geschehen musste- seines Vaters, der ihn über alles liebte, dadurch konnte das größte Wunder dieser Welt geschehen. Der Tod Jesus wurde nicht durch ein Wunder verhindert. Aber seine Auferstehung konnte nur auf den Tod folgen- das war das Wunder, das uns erlöst hat.
"Ja, ich glaub' an dich" stimme ich nun noch lauter mit ein- denn ich verstehe nun woran ich glaube. Dass Gott weiß was er tut- dass er ein guter Gott ist. "
...unserm Gott, der Wunder tut"
Vielleicht nicht da, wo ich es will, aber dort wo er es will und dort wird es sehr gut sein.